Projektübergreifende Kompensation für
53 Windenergieanlagen

Pilotprojekt zur Verwendung von Ersatzgeldern aus der Windenergie im Landkreis Neumarkt i.d. OPf.

Mit der Verabschiedung des Energiekonzeptes „Energie innovativ“ durch die Bayerische Staatsregierung im Jahr 2011 zeichnete sich ab, dass im Landkreis Neumarkt i.d. OPf. die Anzahl der Windenergieanlagen erheblich zunehmen und damit auch die Ersatzgeldzahlungen für Eingriffe in das Landschaftsbild an den Landkreis stark ansteigen würden. Tatsächlich wurden seit 2010 bereits 53 neue Anlagen in Betrieb genommen. Um die Ersatzgelder zeitnah und fachgerecht zu verwenden, wurde in Kooperation von Unterer Naturschutzbehörde (Landratsamt Neumarkt i.d. OPf.) und Höherer Naturschutzbehörde (Regierung der Oberpfalz), Bayerischem Naturschutzfonds und Landschaftspflegeverband Neumarkt i.d. OPf. das „Pilotprojekt zur Verwendung von Ersatzgeldern im Landkreis Neumarkt i.d. OPf.“ initiiert. Im Rahmen des Projekts wurden finanziert durch Ersatzgelder insgesamt 36 Hektar Fläche angekauft und ökologisch aufgewertet. Das Besondere und Neue an dem Projekt war, dass von Beginn an eine Projektmanagerstelle geschaffen wurde, die über Ersatzgelder finanziert und beim Landschaftspflegeverband Neumarkt i.d. OPf. angesiedelt wurde.

Im Folgenden wird das Pilotprojekt vorgestellt und zwei im Rahmen des Projektes umgesetzte Maßnahmen beispielhaft genannt.

Pilotprojekt mit Vorbildcharakter

Nach § 22 Abs. 3 BayKompV müssen Ersatzgelder in Bayern innerhalb einer Zweijahres-Frist eingesetzt werden. Um diesen Vorgaben gerecht werden zu können, wurde im Mai 2013 das „Pilotprojekt zur Verwendung von Ersatzgeldern aus der Windkraft im Landkreis Neumarkt i.d. OPf.“ ins Leben gerufen. Dieses startete zunächst auf vier Jahre befristet mit dem Ziel, Ersatzgeldzahlungen zeitnah, fachgerecht, gebündelt und mit dauerhaftem Erfolg zu verwenden. Während der vierjährigen Pilotphase konnten durch das Projekt im Landkreis 37 Grundstücke mittels Ersatzgelder angekauft werden. Die Gesamtkosten beliefen sich dabei auf rund 946.000 €. Die Grundstücke verteilen sich auf acht Gemeinden und umfassen insgesamt 36 Hektar Fläche, darunter überwiegend Grünlandflächen im Umgriff von Biotopflächen, Waldflächen und stillgelegte Teichanlagen. Mit gezielten Entwicklungsmaßnahmen (finanziert mit Ersatzgeldern) werden die Grundstücke ökologisch aufgewertet.

Aufgrund des Erfolges der Pilotphase des Ersatzgeld-Projekts und der noch ausstehenden Aufgaben im Bereich der Umsetzung von Herstellungsmaßnahmen, weiteren geplanten Grundstückankäufen sowie der kontinuierlichen Betreuung der bisher umgesetzten Maßnahmen, wurde das Projekt mittlerweile um weitere fünf Jahre bis Frühjahr 2022 verlängert.

Auf Basis des Pilot-Projekts wurde außerdem ein Modell entwickelt, das weiteren ähnlichen Projekten in Bayern Vorbild und Anregung war (z.B. Landschaftspflegeverband Miltenberg e.V., Landschaftspflegeverband Eichstätt e.V.).

Flächensicherung als gemeinsame Aufgabe

Zu Beginn des Projekts wurden ein Haupt- und ein Ersatzsuchraum für die Flächenakquise festgelegt. Ein Ankauf in diesen festgelegten Regionen erwies sich allerdings aus vielfältigen Gründen (z.B. kein Verkaufsinteresse, unterschiedliche Kaufpreisvorstellungen, etc.) als schwierig. Die Flexibilität in der Projektumsetzung trug hier maßgeblich zum Erfolg des Projekts bei. Die in der Projektskizze definierten Haupt- und Ersatzsuchräume wurden daher zu Projektbeginn weiter geöffnet, und auch fachlich geeignete Grundstücke mit einem Bezug zu bisherigen Naturschutz- und Landschaftspflegeprojekten in Erwägung gezogen. Auch die Anbindung an Natura 2000-Gebiete oder BayernNetzNatur-Projekte sowie regionale Projekte wie das Biodiversitätsprojekt „Juradistl – Biologische Vielfalt im Oberpfälzer Jura“ oder Renaturierungsvorhaben an Fließgewässern erwies sich als erfolgreich.

Für den weiteren Erfolg des Flächenankaufs war sicherlich von großer Bedeutung, dass in zahlreichen Gesprächen mit Kommunalvertretern über die Möglichkeiten der Verwendung der Ersatzgeld-Zahlungen informiert wurden. Das Engagement vieler Bürgermeisterinnen und Bürgermeister führte in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde schließlich zum Erwerb mehrerer größerer, zusammenhängender Flächenkomplexe.

Projektmanagerin kontrolliert Entwicklung der Flächen

Die zu Beginn des Pilot-Projektes angestellte Projektmanagerin fungiert als zentraler Ansprechpartnerin sowohl in der externen als auch der internen Kommunikation. Ihre Aufgabenbereiche umfassen die Akquise und den Ankauf von Flächen mit ökologischem Aufwertungspotenzial, die Umsetzung von Aufwertungsmaßnahmen sowie das Finanz-Controlling. Darüber hinaus liegt die langfristige Betreuung und Kontrolle der mittels Ersatzgelder finanzierten Ankaufflächen in ihrer Hand. So erfolgt regelmäßig eine Besichtigung der Grundstücke, um die Entwicklung der Flächen seit Umsetzung der Herstellungsmaßnahmen zu dokumentieren.

Darüber hinaus wurde zur Qualitätssicherung auf sieben ausgewählten Flächenkomplexen eine Erfassung von Flora und Fauna vorgenommen. Auf diesen etwa 20 Hektar umfassenden Arealen wurden die Artengruppen der Pflanzen, Tagfalter, Heuschrecken, Libellen, Amphibien, Reptilien und Vögel untersucht. Die Ergebnisse stellen eine Bestandsaufnahme des naturschutzfachlichen Potentials vor Umsetzung der Aufwertungsmaßnahmen dar. Zu jedem Flächenkomplex wurden darauf aufbauend konkrete Hinweise für geeignete Pflege- und Managementmaßnahmen erarbeitet. Die Erfassung soll zur Erfolgskontrolle in regelmäßigen Abständen wiederholt und Pflegemaßnahmen bei Bedarf entsprechend angepasst werden.

Dauerhafte Sicherung der Maßnahmen wird über Bayerischen Naturschutzfonds gewährleistet

Die Kosten der Herstellung und Folgepflege sind für jeden Flächenkomplex so kalkuliert, dass eine Betreuung der Flächen durch die Projektmanagerin über das Projektende hinaus finanziell sichergestellt ist. Die Ersatzgelder werden entsprechend beim Bayerischen Naturschutzfonds flächengebunden für die Folgepflege reserviert. Eine mittelfristige Sicherung der Pflege erfolgt auch durch die Überführung von geeigneten Flächen in Förderprogramme, wie zum Beispiel das Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm oder das Programm der Bayerischen Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen des Natur- und Artenschutzes, der Landschaftspflege sowie der naturverträglichen Erholung in Naturparken (Landschaftspflege- und Naturpark-Richtlinie – LNPR).

Kommune und Naturschutzverein agieren als Flächeneigentümer

Da der Landkreis sowie der Landschaftspflegeverband keine unmittelbaren Strukturen und Kapazitäten zur Übernahme der Grundstücke haben, war es entscheidend für den Erfolg des Projektes, dass die Kommunen als neue Flächeneigentümer gewonnen werden konnten. Auch der Landesbund für Vogelschutz (LBV) stellte sich als Eigentümer für einzelne Grundstücke zur Verfügung und übernimmt in ehrenamtlichen Strukturen Verantwortung für die Flächen.

Besuch der Bayerischen Staatsministerin U. Scharf und von Staatssekretär A. Füracker 2015 – © LPV Neumarkt

Alle an einem Strang – Verlängerung des Ersatzgeld-Projekts um weitere 5 Jahre – © LPV Neumarkt

Renaturierung des Hengerbachs in der Schulwaldaue bei Pavelsbach

Auf Basis des Umsetzungskonzeptes, das im Rahmen einer Pilotförderung zur interkommunalen Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Ziele und Maßnahmen der Wasserrahmenrichtlinie an Gewässern III. Ordnung erstellt wurde, sollte der Hengerbach im Bereich der Schulwaldaue bei Pavelsbach (Markt Postbauer-Heng) auf einer Länge von ca. 1,3 km renaturiert werden. Im Mittelpunkt der Renaturierung stand die Wiederherstellung eines natürlichen Bachlaufs und vor allem die Sicherung von Platz für die Eigendynamik des Hengerbaches in seiner Aue. Um die Wiedervernässung der anschließenden, drainierten Wiesen zu fördern, wurden in der Aue zwei große Feuchtmulden angelegt. Die Neupflanzung von Heckenelementen und Einzelbäumen sowie die Ausbringung von Mahdgut nahegelegener, blütenreicher Grünlandflächen sollen außerdem langfristig die Arten- und Strukturvielfalt in der Schulwaldaue erhöhen.

Enge Zusammenarbeit von Gemeinde, Behörden und Landschaftspflegeverband trug maßgeblich zum Erfolg bei

Das Vorhaben konnte in diesem Umfang nur umgesetzt werden, da der erforderliche Flächenankauf komplett durch das Ersatzgeld-Pilotprojekt finanziert wurde. Dank intensiver Verhandlungen konnten elf Grundstücke entlang des Hengerbachs mit einem Flächenumfang von 11 Hektar erworben werden. Neuer Eigentümer der Grundstücke wurde die Marktgemeinde Postbauer-Heng. Zusammen mit den Grundstücken, die bereits im Besitz der Kommune waren, stand so eine Fläche von 14 Hektar für die Renaturierung der Schulwaldaue zur Verfügung. Einen zusammenhängenden Flächenkomplex dieser Größe für ein Naturschutzprojekt zur Verfügung zu haben ist laut Werner Thumann, Geschäftsführer des Landschaftspflegeverband Neumarkt, eine Seltenheit und ein Glücksfall. Maßgeblich zu diesem Erfolg hat die enge Zusammenarbeit der Marktgemeinde, des Wasserwirtschaftsamts, der Unteren Naturschutzbehörde und des Landschaftspflegeverbands beigetragen. Durch Abwicklung der Maßnahme über das Ersatzgeld-Projekt ist die Kontrolle der Entwicklung des Flächenkomplexes über die Stelle der Projektmanagerin überdies abgedeckt.

“Die Renaturierung der Schulwaldaue zeigt was im Bereich Naturschutz möglich ist, wenn die Vertreterinnen und Vertreter von Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Naturschutz und Kommunen Hand in Hand arbeiten. Diese gute und effektive Zusammenarbeit zeichnet das Ersatzgeldprojekt im Landkreis Neumarkt i.d.OPf. aus und macht es so wertvoll.”

Willibald GaillerLandrat Landkreis Neumarkt i.d.OPf. und Vorstandvorsitzender des Landschaftspflegeverbands Neumarkt i.d.OPf.
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Video: Bericht des Neumarkt TV zur Fertigstellung der Renaturierung des Hengerbachs in der Sendung „Endlich Wochenende“ vom 17.05.2019

Bildergalerie „Renaturierung Hengerbach“:

Entwicklung eines artenreichen, standortgerechten Laubmischwalds am Krähberg als Schulprojekt

Ebenso im Rahmen des Ersatzgeld-Pilotprojekts konnte ein ca. 0,9 ha großes Grundstück erworben werden, auf dem mittelfristig ein artenreicher, standortgerechter Laubmischwald entwickelt werden soll. Das südexponierte Grundstück war ursprünglich mit einem dichten Fichtenbestand bestockt, der nach einem Kahlhieb wieder in Teilbereichen mit Fichten aufgeforstet wurde. Der Ankauf des Grundstücks bot die einmalige Chance, auf der Fläche einen naturnahen wärmeliebenden Waldbestand zu begründen. In enger Zusammenarbeit mit dem zuständigen Revierförster und dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Neumarkt i.d.OPf. wurde ein Pflanzschema zur ökologischen Aufwertung der Aufforstungsfläche erarbeitet.

Schulkinder unterstützen bei Neupflanzungen

Für die Umsetzung der Herstellungsmaßnahme konnte die Unterstützung der Mittelschule Deining gewonnen werden. Unter Anleitung des Revierförsters und der Mithilfe örtlicher Landwirte, die für den Landschaftspflegeverband tätig sind, pflanzten 60 Schülerinnen und Schüler der Klassen sechs bis neun der Mittelschule Deining 850 neue Bäume, darunter Hainbuche, Stieleiche, Bergahorn, Winterlinde, Vogelkirsche und Flatterulme sowie Elsbeere. Dabei erhielten die Schulkinder spannende Einblicke in die Neubegründung eines Waldbestandes und das Ökosystem „Wald“. Die neu gepflanzten Laubbäume ergänzen den bereits bestehenden Baumjungbestand an Lärchen und Fichten, welcher noch vom Vorbesitzer ansteht. Langfristig soll ein standortgerechter Laubmischwald entwickelt werden.

Trockenjahre erfordern Nachbesserungen

Aufgrund der sehr trockenen Jahre 2018 und 2019 kam es in Teilbereichen der Aufforstungsfläche zum Ausfall der neu gepflanzten Laubbäume. In Zusammenarbeit mit dem zuständigen Revierförster wurde im Herbst 2019 in Teilbereichen eine Nachpflanzung durch Landwirte vorgenommen. Die Kosten wurden über das Ersatzgeld-Pilotprojekt getragen.

“Das südexponierte Waldgrundstück war zuvor mit reinem Fichtenbestand bestockt. Durch den Ankauf mittels Ersatzgelder entstand die Chance hier einen naturnahen, wärmeliebenden und vielfältigen Zukunftswald zu begründen. Durch die flächengebundene Reservierung von Ersatzgeldern für die Folgepflege, ist eine Betreuung der im Rahmen des Projekts angekauften Flächen durch den Landschaftspflegeverband Neumarkt über das Projektende hinaus finanziell sichergestellt.”

Tina KoschatzkyProjektmanagerin, Landschaftspflegeverband Neumarkt i.d.OPf.
Bildergalerie „Krähberg“:

Lessons Learned

Das Ersatzgeld-Projekt ermöglicht es uns, die im Bereich des Landkreises Neumarkt i.d.OPf. angefallenen Ersatzzahlungen zielgerichtet und zeitnah für Maßnahmen zugunsten der Natur hier im Landkreis einzusetzen. Das wäre in dieser Dimension und Qualität ohne die Stelle der Projektmanagerin nicht möglich. Der Landschaftspflegeverband, bei dem die Akteure aus Politik, Landwirtschaft und Naturschutz vernetzt sind, erweist sich dabei als idealer Partner.

Anja Kreitmeier, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde Neumarkt i.d. OPf.

Standort

Bayern

Erfüllte „good practice“ Kriterien

  • Funktionskontrolle
  • Nachbesserungen werden durchgeführt
  • Sicherung über Betriebszeit der WEA hinaus
  • Einbindung lokaler Akteure
  • Berichterstattung & Information
  • Einbindung in überregionales Naturschutzkonzept

Ansprechpartnerin

Tina Koschatzky
Projektmanagerin
Landschaftspflegeverband Neumarkt i.d.OPf. e. V.

Tel. 09181 – 470 339
E-Mail: koschatzky.tina@landkreis-neumarkt.de

» www.lpv-neumarkt.de